Vor 19 Jahren kam Saliou Gueye, heute Leiter der Koordinierungsstelle
Internationale Stadt Ulm, nach Deutschland. Jeden Morgen fragte ihn
die Familie, bei der er anfangs lebte, wie es ihm gehe - auf französisch,
damals konnte der Senegalese nicht deutsch. „ Ça va?“ Er antwortete in alter
Gewohnheit: „Ça va.“ Die Familie übersetzte diesen Satz mit „es geht“ und
bemitleidete ihren Gast. Doch Gueye habe es anders gemeint. Es sei ihm sehr gut
gegangen. Aber die Verständigung zwischen Kulturen hat eben ihre Tücken.
Szenen wie sie Gueye beschreibt, oder ähnliche
Verständigungsschwierigkeiten erleben Mitarbeiter sozialer Einrichtungen häufig.
Deswegen soll Ulm nun ehrenamtliche Dolmetscher bekommen. Die Mitarbeiter des
neuen Internationalen Dolmetscherpools sollen gut eingelernt werden und in
Zukunft Menschen mit Migrationshintergrund durch emotionale und konfliktreiche
Beratungsgespräche begleiten.
Im Februar stimmte der Ulmer Gemeinderat für ein Dolmetscher-Team. Das ist
Teil des Konzeptes zur Internationalen Stadt. Seit einem Jahr schon beraten
Vertreter des Diakonischen Werks der evangelischen Kirche, der Caritas Ulm, der
Ulmer Volkshochschule und weiterer zentraler Beratungsstellen über das Wie und
das Wann. Zu Beginn des Donaufests gehen die Vorbereitungen in die heiße Phase.
Beim Fest wird das erste Infomaterial verteilt. Jeder, der eine andere Sprache
spricht, kann sich daraufhin bei der Stadt melden. Die Vertreter entscheiden
dann, wer am ersten Dolmetscher-Workshop im Oktober teilnehmen wird.
Die erste Trainings-Runde startet mit 15 Leuten. Dann sollen es immer mehr
werden, bis Ulm ein Dolmetscher-Pool von etwa hundert Leuten hat, die zur
Stelle sind, wenn beispielsweise eine syrische Familie zum Schuldnerberater
muss. Dann kann sich die jeweilige Beratungsstelle bei der Koordinationsstelle
Internationale Stadt melden und bekommt einen Übersetzer.
Eine syrische Familie – sie lebt seit ein paar Jahren in Deutschland – gerät in finanzielle
Schwierigkeiten. Sie wagen den Schritt zum Schuldnerberater, doch die
Informationen des Profis sind komplex. Er erklärt ganz genau, welche Unterlagen
er noch benötigt. Dabei wendet er sich an den Sohn der Familie. Der Junge ist
zehn, spricht aber am besten deutsch. Doch beim Thema Finanzen ist er
überfordert. Der Berater startet bei Kollegen und Partnereinrichtungen einen
Rundruf: „Kennst du nicht jemanden aus Syrien?“
Dass Kinder oder andere Angehörige so viel Verantwortung übernehmen müssen,
das sei nicht gut. Darin sind sich die Vertreter der Sozialverbände einig.
Neutrale Personen müssen her. Die Dolmetscher brauchen also nicht nur
Sprachkenntnisse, sondern müssen auch vertraulich mit den oft durchaus privaten
Informationen umgehen können und mit sehr emotionalen Situationen zurecht
kommen. Laut Christina Grunert von der Stadt Ulm ist dies eine „hochkomplexe
Leistung“. Dafür werden die ehrenamtlichen Übersetzer von der Stadt mit
fünfzehn Euro pro Stunde entschädigt. Die Kosten für die Ausbildung der
Dolmetscher übernimmt ebenfalls die Stadt. Zumindest während der ersten beiden
Jahre des Pilotprojekts.
Dieter Albert vom diakonischen Werk der evangelischen Kirche Württemberg
hat ein gutes Gefühl dabei. Erste Umfragen hätten ergeben, dass mehrere hundert
Leute Bedarf an Dolmetschern haben. Die Initiative will den Profis aber keine
Konkurrenz machen. Hier gehe es vor allem um Situationen, bei denen man
meistens auf einen Profi verzichten würde. Außerdem müsse man sich über eines
im Klaren sein: Ulm sei eine bunte Stadt voll kultureller Vielfalt. Deutsch sei
zwar die Amtssprache, aber deswegen seien andere Sprachen nicht weniger wert.
„Dolmetscher können die Menschen auch zum deutsch lernen inspirieren“, fügt
Gueye abschließend hinzu. Ihn selbst habe damals in Ulm ein Senegalese mit
guten Deutsch-Kenntnissen zum Staunen gebracht, bis er sich dachte. „Das will
ich auch können.“